Schweizer-Verpackung - News-Corner
    







Schweizer-Verpackung - News-Corner
 
05.10.2016
 
  
Forum Wellpappe 2016: Verpackung neu denken
    
Mut ist gefragt – das ist die zentrale Erkenntnis des Forum Wellpappe 2016, das am 28. September unter der Moderation des TV-Journalisten Florian Fischer-Fabian auf der FachPack in Nürnberg stattfand. Innovationsvordenker Dr. Jens-Uwe Meyer appellierte an die 350 Besucher, sich nicht nur mit Verbesserungen zufrieden zu geben, sondern Zukunftsvisionen zu entwickeln: „Denken Sie das Unmögliche und suchen Sie sich Kunden, mit denen Sie es umsetzen können.“ Der Psychologe und Marktforschungsexperte Jens Lönneker unterstützte den Aufruf, Neues zu wagen: „Die Emotionalisierung des öffentlichen Raumes und damit auch der angebotenen Waren wird immer wichtiger. Haben Sie den Mut, in der Verpackungsentwicklung ungewöhnliche Wege zu gehen.“

Wie ist es um die Innovationskraft und -bereitschaft in der Wellpappenindustrie bestellt? Auf die Frage des Moderators antwortete Dr. Steffen P. Würth, Vorsitzender des Verbandes der Wellpappen-Industrie (VDW). „Wir wissen heute noch nicht, was die Wellpappe morgen kann. Es gibt viele Nutzen und Einsatzgebiete, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. Aber es gibt bei unseren Mitgliedern eine Kultur der Kreativität, des Mutes und der Bereitschaft Wege zu beschreiten, um Ideen zu entwickeln und Grenzen zu verschieben.“ Entscheidend dabei bleibt aus Würths Sicht aber immer der Mehrwert für den Kunden.

Die besten Beispiele für Verpackungs-Neuentwicklungen, die erhebliche Nutzenvorteile bringen, wurden von Würth in Nürnberg ausgezeichnet. Die Preisverleihung des Innovationspreises fand 2016 erstmals im Rahmen des Forum Wellpappe statt: In zwei Leistungsgruppen, Lagerung und Transport sowie Absatzförderung, prämierte der VDW sechs Verpackungen und Displays, die von einer unabhängigen zehnköpfigen Jury ausgewählt wurden. Die vorgestellten ausgezeichneten Wettbewerbsbeiträge belegten eindrucksvoll, wie Innovationsfreude in der praktischen Umsetzung aussehen kann: verbesserte logistische Effizienz und optimierte Warenpräsentation für die Anwender, geringere Belastungen für die Umwelt.

Gerald Dissen, Gründer und Geschäftsführer des Start-ups Room in a Box, präsentierte eine innovative Anwendung von Wellpappe außerhalb des Verpackungsbereichs: Er baute auf der Bühne innerhalb weniger Sekunden ein Bett aus Wellpappe auf und präsentierte seine erfolgreiche Geschäftsidee: Möbel aus Wellpappe. „Wir haben sie so designt, dass sie zum modernen Lebensstil passen.“ Dazu setzt das Unternehmen konsequent auf die Stärken des Materials: geringes Gewicht, flexible Einsatz- und vielseitige Verarbeitungsmöglichkeiten. „So können wir das Bett fast fertig aufgebaut schon am Tag der Bestellung zum Kunden versenden – das geht mit anderen Materialien nicht.“ Bei den Käufern kommt die Idee Dissen zufolge gut an: „Wellpappe passt zur ökologischen Lebensweise. Konzipiert ist es eigentlich für eine junge mobile Zielgruppe, gekauft wird es aber vom Studenten bis zur Großmutter, die ein Gästebett für den Enkel benötigt.“

Erfolgsgeschichten wie diese belegen: Wer Visionen hat, ist durchaus kein Fall für den Arzt. Das stellte Innovationsexperte Meyer in seinem Vortrag klar und widersprach damit der vielzitierten Ansicht des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Vielmehr seien zunächst unrealistisch erscheinende Ideen geradezu die Voraussetzung dafür, um den Herausforderungen der Zukunft erfolgreich zu begegnen. „Aufgabe von Innovatoren ist es nicht mehr nur, Produkte zu verbessern, sondern Märkte von morgen zu erkunden“, sagte Meyer. „Die großen Innovationen finden heute vor allem in der Markt- und Nutzeninnovation statt. Oft ist die Technologie ausgereift, aber die Frage offen: Wie genau setzen wir sie ein?“ Darauf sollten innovative Unternehmen Antworten finden.

Wie viele Zukunftsforscher und Trendexperten sieht Meyer in der Digitalisierung einen der wesentlichen Treiber industrieller Veränderungen – mit erheblichen Auswirkungen auf die Wellpappenherstellung. „Die Verpackungsindustrie ist aus meiner Sicht eine digitale Branche. Denn die Verpackung ist ein zentraler Aspekt der immer autonomer werdenden Logistik. Die Verpackungsindustrie wird also zunehmend digitale Geschäftsmodelle entwickeln müssen.“

Die Industrie 4.0 ist eine der großen Herausforderungen für die Branche. Bei der Frage nach der richtigen Herangehensweise zur Bewältigung ist Meyers Position eindeutig: „Wir denken oft an Verbesserungsstrategien – daran, wie wir unsere Produkte anders machen können. Aber das reicht nicht mehr aus. Wir müssen weiter denken: Was ist die unmöglichste Vision, die Sie sich für Ihr Produkt vorstellen können?“ Meyer zufolge liegt der Schlüssel in der Kooperation mit den richtigen Partnern: „Schlaue Unternehmen suchen sich innovative Kunden: Sie nutzen die Ideen von Menschen oder ganzer Unternehmen, die ebenfalls sagen: Wir wollen die Zukunft mitgestalten.“

Jens Lönneker, CEO des Marktforschungsinstituts rheingold salon, lenkte den Blick auf die gestiegen widersprüchlichen Anforderungen an die Verpackungen in puncto Emotionalität. „Produkte, die bislang sehr sachlich und rational daher kamen, müssen emotionaler werden, um beim Kunden anzukommen. Umgekehrt muss die Sachlichkeit emotionaler Produkte gesteigert werden, wenn sie erfolgreich sein wollen, zum Beispiel bei Bieren. Und diese Anforderungen spiegeln sich in den Verpackungen wieder.“

Ursache für diese neuen Anforderungen an die Verpackungsgestaltung ist Lönneker zufolge eine „Kultur der Widersprüchlichkeit“, die sich in den vergangenen 40 Jahren entwickelt hat. Sie zeigt sich zum Beispiel in dem „schizophrenen Bürger“, der zwar die Massentierhaltung ablehnt, aber trotzdem im Discounter billiges Fleisch kauft. „Wir leisten uns den Luxus, zwei widersprüchliche Positionen zugleich einzunehmen“, sagt der Psychologe. „Heute können wir offen gegen Atomkraft Stellung beziehen aber gleichzeitig den günstigsten Stromtarif nachfragen. Wir wollen alles gleichzeitig, auch wenn es irrational ist.“

Das hat Auswirkungen auf die Gestaltung von Verpackungen. Technische Geräte beispielsweise haben den größten Erfolg, wenn sie neben der großen objektiv messbaren Leistungsfähigkeit auch einen emotionalen Mehrwert bieten. „Viele Menschen, die ein iPhone auspacken, zelebrieren das wie die Entdeckung des Heiligen Grals. Das Produkt ist so verpackt, dass der Käufer tatsächlich den Eindruck hat, eine Offenbarung zu erleben.“ Die Marke Teekanne hat Lönneker zufolge früh die Verpackung für die Emotionalisierung eingesetzt. „Das steht schon lange nicht mehr nur einfach Fixbutte drauf, sondern der Kunde erhält das Versprechen einer emotionalen Verfassung durch den Konsum: heiße Liebe, kleine Sünde, frecher Flirt.“

Zum Ende der Veranstaltung zog der VDW-Vorsitzende ein optimistisches Fazit. „Wellpappe ist der Schmierstoff der modernen Volkswirtschaft und nicht mehr wegzudenken“, sagte Würth. „Das Material ist ebenso vielseitig und flexibel wie die Unternehmen und daher für alle Herausforderungen bestens gerüstet. Wir können einfach alles.“


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