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11.01.2016
 
  
Alumniportal: Einkaufen ohne Verpackung bei „Freikost Deinet“ in Bonn
    
Vegane Gummibärchen aus dem Spender, Shampoo am Stück und Müsli auf Knopfdruck: Was selbst im Bio-Supermarkt in Plastikbeuteln oder Kartons im Regal steht, wird bei „Freikost Deinet“ in Bonn verpackungsfrei angeboten. Das spart Müll, schont die Umwelt – und macht in Deutschland Schule.

16 Millionen Tonnen Verpackungsmüll fallen in Deutschland jährlich an, jeden fünften Tag schleppt der Durchschnittsbundesbürger eine neue Plastiktragetasche aus dem Supermarkt mit nach Hause. Aber müssen Käsescheiben wirklich auf Styropor gebettet werden? Müssen Gemüsegurken eine zweite Haut aus Plastik haben? Und: Muss bei jedem Einkauf eine neue Tüte her?

Nein, findet Hilke Deinet. Gemeinsam mit ihrem Mann Tim, einem Lebensmittelanalytiker, bietet die studierte Geografin und Hotelfachfrau in ihrem Laden im Bonner Stadtteil Duisdorf seit 2014 neben klassisch verpackten Bioprodukten über 300 ökologisch und fair hergestellte Waren lose an. Darunter sind Obst und Gemüse, Käse und Getreide von Ökobauern der Region, aber auch fair gehandelter Kaffee aus Ostafrika oder Haarseife und Shampoo am Stück.

Wer bei „Freikost Deinet“ einkauft, bringt alte Eierkartons, leere Mehlverpackungen, Glasgefäße oder sogar Blecheimer mit in den Laden. Oder er füllt sich Gewürze vor Ort gleich in die eigene Pfeffermühle. Nudeln oder Getreidekörner wandern manchmal aus einem der fast 100 Lebensmittelspender an der Wand direkt in den Topf. „Unsere Kunden sind da sehr phantasievoll“, sagt Hilke Deinet. Für Phantasielose hängen aber auch überall Tüten aus Papier.

Portionsgerecht einkaufen
Ein Einkauf von verpackungsfreien Produkten regionaler Erzeuger verringert Plastikmüll und Emissionen, die durch lange Transportwege entstehen. Aber er hat noch viele andere Vorteile. „Bei uns kann jeder mit dem Rezeptbuch vorbeikommen und sich die nötigen Zutaten gewichtsgenau zusammenstellen“, sagt Hilke Deinet. Und Singles sind nicht gezwungen, Familienpackungen mit nach Hause zu nehmen, deren Inhalt dann vielleicht verdirbt.

Besonders wichtig findet Hilke Deinet auch, dass das Produkt in ihrem Laden den Kunden mit Geschmack und anderen guten Eigenschaften überzeugen muss, weil keine aufgedruckte Marke blendet. In Kundengesprächen schafft sie ein Bewusstsein für Qualität und Mengen, das in der heutigen Werbe-, Fastfood- und Wegwerfgesellschaft zu verschwinden droht: „Wir betreiben auch ein Stück weit Bildungsarbeit.“ Da kann Hilke Deinet dann auch erklären, warum ein in Handarbeit gefertigtes Demeter-Brot „ein bisschen teurer sein muss als ein Brot aus der Bioindustrie“.

Ansonsten überraschen die Preise eher positiv – auch wenn sie natürlich nicht mit dem Discounter vergleichbar sind, der die Einkaufskosten beim Produzenten drückt oder das billigste Produkt aus weiter Ferne holt. „Bei den verpackten Waren haben wir hier ganz normale Bioladen-Preise“, sagt Hilke Deinet. „Und da, wo wir an der Verpackung sparen, können wir im Schnitt sogar einen Euro pro Kilo günstiger sein.“

Unverpackt liegt voll im Trend
In Deutschland eröffnete Anfang 2014 in Kiel der erste verpackungsfreie Bioladen – einige Monate später zog „Freikost Deinet“ nach. Innerhalb eines Jahres schossen auch in Dresden, Heidelberg, Mainz, München, Berlin, Schwäbisch Gmünd und Münster ähnliche Angebote aus dem Boden. Man kann beim Einkaufen ohne Verpackung also inzwischen von einem deutschlandweiten Trend sprechen. In Leipzig soll bald auch ein verpackungsfreier Supermarkt entstehen – sofern per Crowdfunding genügend Gründungskapital zusammenkommt.

Bei „Freikost Deinet“ ist man schon weiter. In Bonn-Duisdorf wird das lose Angebot rund ein Jahr nach der Gründung bereits sehr gut angenommen. „Manchmal kommen zwar immer noch Kunden mit Berührungsängsten, die sich nicht an die Lebensmittelspender wagen und zunächst nur Obst und Gemüse kaufen“, sagt Hilke Deinet. „Aber das legt sich schnell.“

Dass der Laden so gut läuft, liegt sicher auch daran, dass die Deinets ihre Vision von einer plastikfreieren Welt mit Unternehmensgründerseminaren, Businessplänen und wirtschaftlicher Weitsicht gut geerdet haben. Ladenhüter wie Essig und Öl flogen schnell aus dem Sortiment. Im Gegenzug wurden Bestseller wie Müsli deutlich aufgestockt. „Bio mit Herz, aber auch mit Kopf“, wie Hilke Deinet sagt.

„Wir wollen keine Kette werden“
Auch bei potentiellen Nachahmern hat sich das Konzept bereits herumgesprochen. Hin und wieder stünde jemand im Laden, um Tipps zu bekommen, sagt Hilke Deinet. „Wir sind auch schon gefragt worden, ob wir unser Konzept nicht in Richtung Franchise weiterentwickeln könnten. Aber wir wollen keine Kette werden.“ Erst einmal will man sich vor Ort noch besser etablieren. „Wir haben ganz viele Pläne. Aber in erster Linie hier. Lokal. Vor Ort.“


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