Mehr als zweihundert Krankheiten werden über die Lebensmittelkette verbreitet – eine Tatsache, die die Notwendigkeit einer sicheren und nachhaltigen Lebensmittelproduktion unterstreicht. Die Globalisierung des Lebensmittelhandels stellt ein zusätzliches Problem für die Lebensmittelsicherheit dar. Die aktualisierte Fassung der ISO 22000 zu Managementsystemen für die Lebensmittelsicherheit ist eine zeitgemässe Reaktion auf diese Herausforderungen.
Im April meldeten die Centers for Disease Control and Prevention (CDC), die führende Gesundheitsbehörde der USA, dass verunreinigter Romanasalat für einen Ausbruch des E.-coli-Bakteriums im Land verantwortlich war. Die «New York Times» berichtete, dass fast 70 % der Menschen, die sich infizierten, mit einem toxinbildenden E.-coli-Stamm ins Krankenhaus eingewiesen wurden und dass es bei einigen von ihnen sogar zu Nierenversagen kam. Zudem ergaben jüngste Forschungen der Queen’s University Belfast, dass Nitrate, die in der Fleischverarbeitung zum Pökeln verwendet werden, chemische Stoffe erzeugen können, die das Darmkrebsrisiko erhöhen.

Anforderungen erfüllen Wie können wir also auf systematische Weise gewährleisten, dass Lebensmittelhersteller sichere Lebensmittel für Menschen und Tiere produzieren? Eine solche vertrauensbildende Lösung ist die ISO 22000 «Managementsysteme für die Lebensmittelsicherheit – Anforderungen an Organisationen in der Lebensmittelkette». Wie bereits erwähnt, gab es seit der Einführung des internationalen Standards im Jahr 2005 in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit zahlreiche Herausforderungen für die Anwender entlang der Versorgungskette zu bewältigen. Aus diesem Grund war eine Überarbeitung notwendig.
Jacob Faergemand, Vorsitzender des Fachunterausschusses ISO/TC 34/SC 17, «Managementsysteme für Lebensmittelsicherheit», und CEO des Bureau Veritas Nordic, einer internationalen Zertifizierungsbehörde, erläutert die wesentlichen Änderungen des Standards, einschliesslich der strukturellen Anpassungen, sowie die Schlüsselkonzepte: «Um die Marktanforderungen an die Lebensmittelsicherheit zu erfüllen, wurde die ISO 22000 von Interessenvertretern entworfen, die in verschiedenen Organisationen für Lebensmittelsicherheit mitwirken: Regierungsbehörden, Verbraucher, Beratungsunternehmen, Industrie und Forschung. Wenn ein Managementsystem für Lebensmittelsicherheit von den Anwendern der ISO 22000 entwickelt wird, tut man alles, um die Marktanforderungen zu erfüllen.»
Als wichtiges Beispiel zur Erfüllung der Marktanforderungen führt Faergemand die Verbindung der ISO 22000:2018 zum Codex Alimentarius an. Bei Letzterem handelt es sich um eine Sammlung von Lebensmittelnormen der Codex-Alimentarius-Kommission, einer Lebensmittelorganisation der Vereinten Nationen, die Richtlinien für Regierungen erarbeitet. «Aufgrund des Status des Codex Alimentarius und der Verweise im Landesrecht orientiert sich die ISO 22000:2018 weiterhin sehr stark an den Standards des Codex Alimentarius. So können sich Regierungen auf der ganzen Welt bei staatlichen Kontrollen auf die ISO 22000:2018 berufen und diese im nationalen Recht als anwendbar betrachten.» Er betont den konkreten Wunsch von Organisationen für Lebensmittelsicherheit, eine genaue Beschreibung der Unterschiede zwischen einigen wesentlichen Definitionen – wie zum Beispiel kritischen Kontrollpunkten (CCPs) und vorgeschriebenen operationellen Programmen (OPRPs) – zur Verfügung zu haben, welche mit den Definitionen des Codex Alimentarius so weit wie möglich übereinstimmen.
Faergemand räumt ein, dass es schwierig war, bei dieser bedeutenden Aufgabe einen Konsens zu finden: «Wir haben jedoch sehr hart an der Entwicklung dieser klaren Differenzierung gearbeitet, die den Anwendern des Standards zugutekommt.»
Welche Neuerungen gibt es bei der ISO 22000:2018? • Breiterer Blick auf die Versorgungskette (vom Lieferanten bis zum Kunden) • Ausrichtung auf die moderne Lebensmittelindustrie • Engagement auf oberster Führungsebene • Stärkerer Fokus auf Interessenvertreter • Bessere Verständlichkeit der Fachbegriffe • Verbesserte Lesbarkeit
Übernahme der High-Level-Structure (Anhang SL) Diese neue Kernstruktur erleichtert es Unternehmen, die ISO 22000 mit anderen Managementsystemstandards (ISO 9001:2015, ISO 14001:2015 und ISO 45001:2018) zu verbinden.
Zwei PDCA-Zyklen Die zwei PDCA-Zyklen (Planen-Durchführen-Prüfen-Handeln) fungieren systemübergreifend; der erste deckt das Managementsystem ab, der zweite die Prozesse, die gleichzeitig die Grundsätze der Gefahrenanalyse und kritischen Kontrollpunkte (HACCP) abdecken.
Kritische Kontrollpunkte Anwender erhalten eine genaue Beschreibung der Unterschiede zwischen den kritischen Kontrollpunkten (CCPs), dem vorgeschriebenen operativen Präventivprogramm (OPRPs) und dem Präventivprogramm (PRPs).
Neuer Risikoansatz Der Standard unterscheidet nun zwischen dem Risiko auf operativer Ebene (mit HACCP-Ansatz) und auf strategischer Ebene (Unternehmensrisiko) des Managementsystems, wo Chancen auch Teil des Konzepts sind.
Für Risiken gerüstet Eine wesentliche Änderung des Standards war die Einführung der High-Level-Structure (HLS), welche für alle ISO-Managementsystemstandards gebräuchlich ist. Wie Faergemand verdeutlicht, «wird dies Organisationen zugutekommen, die mehr als ein Managementsystem verwenden». Zudem regt es Organisationen dazu an, bei der Risikoanalyse neue Ansätze zu verfolgen. Das Konzept des Risikos wird auf verschiedene Weise eingesetzt. Für Lebensmittelunternehmen ist es äusserst wichtig, zwischen der bekannten Gefahrenanalyse auf operativer Ebene und dem Unternehmensrisiko zu unterscheiden (in der neuen Struktur dargelegt), in dem Chancen auch Teil des Konzepts sind.
«Die neue Version der ISO 22000 erläutert zudem den PDCA-Zyklus, der beide separaten Zyklen miteinander vereint. Die zwei PDCA-Zyklen funktionieren systemübergreifend – einer deckt das Managementsystem ab und der andere die Prozesse darin, welche gleichzeitig die vom Codex Alimentarius festgelegten HACCP-Grundsätze abdecken», sagt Faergemand. Das oben genannte HACCP-Prinzip ist ein System von Grundsätzen, mit dem Lebensmittelunternehmer ihren Umgang mit Lebensmitteln analysieren können und mit dem Verfahren eingeführt werden, die den unbedenklichen Verzehr der hergestellten Lebensmittel sicherstellen.
Die ISO 22000 geht über die klassischen HACCP-Grundsätze hinaus und erhöht somit den Fokus auf die Risikoelemente bei der Lebensmittelherstellung, damit die Versorgungskette in einem grösseren Zusammenhang betrachtet wird. Durch die Verwendung dieser Norm verfügen die Anwender in puncto Lebensmittelsicherheit über eine gemeinsame Sprache, die im Allgemeinen weltweit anerkannt ist.
Die aktualisierte Fassung des Standards legt einen stärkeren Fokus auf externe Interessengruppen der Lebensmittelbranche. Dadurch können Betreiber das Unternehmensrisiko durch unsichere Lebensmittel besser analysieren und ihre Position in der Lebensmittelversorgungskette stärken.
ISO 22000:2018 annulliert und ersetzt ISO 22000:2005. Unternehmen, die mit diesem Standard zertifiziert sind, haben ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung drei Jahre Zeit für den Übergang zur neuen Version.
Weitere Informationen:
ISO-Komitee: Informationen zum ISO-Komitee ISO/TC 34/SC 17 finden Sie hier.
Publikationen: ISO-22000-Broschüre: «Food safety management – ISO 22000:2018» Broschüre: «ISO and food»
Über die SNV
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So übernimmt die SNV eine wichtige Brückenfunktion zwischen den Normungsexperten und den Normen- anwendern.
Die SNV
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wendet definierte Prozesse flexibel und kundenorientiert an: Professionelle Normung ist an international anerkannte Prozesse gebunden. Selbstregulation kann nur als sinnvolle Ergänzung zur Gesetzgebung dienen, wenn diese Prozesse eingehalten werden. Der Umfang mit diesen Strukturen erfordert Kompetenz und Erfahrung. Diese Fähigkeiten stellt die SNV der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft zur Verfügung.
fördert Information und Unterstützung: Die SNV hilft Ihnen, sich im Dschungel der Gesetze, Verordnungen und Richtlinien zurechtzufinden. Ein klares Verständnis der weltweit vorhandenen Anforderungen an marktkonforme Produkte und Dienstleistungen soll gefördert werden.
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